Die Straßen immer voller, der Verkehr immer dichter: Weil man auf den üblichen Wegen kaum mehr vorankommt, gehen die Autohersteller in die Luft oder ins Gelände. Fantasie und Wunschdenken sind zwar auch im Spiel, aber die ersten Sonderlinge kann man sogar schon kaufen. Genf – Über den Stau auf der Route de Meyrin in der […]

Die Straßen immer voller, der Verkehr immer dichter: Weil man auf den üblichen Wegen kaum mehr vorankommt, gehen die Autohersteller in die Luft oder ins Gelände. Fantasie und Wunschdenken sind zwar auch im Spiel, aber die ersten Sonderlinge kann man sogar schon kaufen.

Genf – Über den Stau auf der Route de Meyrin in der Genfer Innenstadt kann Jörg Astalosch heute milde lachen. Zwar hat sich der Chef der Ideenschmiede Italdesign an diesem Morgen ebenfalls durch den dichten Verkehr gequält. Doch wenn es nach ihm und seinen Entwicklern geht, ist es damit bald vorbei. Denn auf einem gemeinsamen Stand mit Audi und Airbus zeigte er auf dem Genfer Autosalon ein Fahrzeugkonzept, mit dem man dem Stau die kalte Schulter zeigt und immer mobil ist: Pop Up Next heißt der autonome Zweisitzer, der bei zu dichtem Verkehr einfach zur Drohne wird und in die Luft geht.

Mit dieser Idee sind Airbus, Audi und Italdesign nicht alleine, wie eine Handvoll solcher Autos auf der Frühjahrsmesse am Lac Léman bewies. Flugfahrzeuge, Schmalspurflitzer, Robotaxen und extrem geländegängige Offroad-Modelle erinnern an das Fliewatüüt aus der bekannten Kinderfilmserie «Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt» und machen deutlich: Das Auto ist zumindest in der Fantasie der Entwickler nicht allein auf der Straße zu Hause.

Um den Verkehr zu entzerren und wieder schneller ans Ziel zu kommen, machen sie auch vor anderen Elementen nicht halt: Zu Lande, zu Wasser und in der Luft ist das Auto in ihren Visionen gleichermaßen zu Hause. Nachdem der Pop Up bereits seinen zweiten Auftritt in Genf hatte und mittlerweile die Audi-Ringe trägt, lassen die Partner keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Projektes: «Kreativität ist gefragt, wenn es um neue Mobilitätskonzepte für Städte und die vielfältigen Ansprüche der Menschen geht», sagt Audi-Vorstand Bernd Martens über den Kleinstwagen, der an eine Art unbemannten Helikopter andocken, seinen Fahrschemel am Boden lassen und dann mit elektrischen Rotoren abheben kann.

Und dass die Schwestermarke Porsche in der Branchenzeitung «Automobilwoche» gerade ähnliche Planungen angedeutet hat, erhöht die Glaubwürdigkeit dieses Gedankenspiels weiter. Doch ist dem modularen Konzept gegen den Verkehrskollaps die niederländische Firma PAL-V mit ihrem Liberty zuvorgekommen – und der Name ist Programm. Denn auf dem Dach trägt der Zweisitzer einen ausklappbaren Rotor von elf Metern Durchmesser. Damit kann er abheben und sich freimachen von den Verkehrsbedingungen am Boden, erläutert der Hersteller.

Und anders als der Pop Up ist der am Boden mit seinem 74 kW/100 PS starken Motor immerhin 160 km/h und in der Luft bis zu 180 km/h schnelle Zwitter kein Konzept und keine Vision mehr, sondern ein Serienmodell. Im nächsten Jahr sollen zu Preisen knapp unter 400 000 Euro die ersten Kundenfahrzeuge ausgeliefert werden.

Während Pop Up und Liberty einfach in die Luft gehen, wenn es ihnen am Boden zu voll wird, suchen Fahrzeuge wie der Sbarro 4×4+2, der Hyundai Kite oder der Chelsea Truck einen anderen Ausweg aus dem Verkehrschaos und wechseln einfach in die Wildnis. Als extreme Geländefahrzeuge mit erweitertem Aktionsradius setzen sie damit einen Kontrapunkt zu der Schwemme an SUV und Crossover-Modellen, die meist nur noch nach Freiheit und Abenteuer aussehen und am Ende doch nur auf dem Asphalt bewegt werden.

Dabei mag der Sbarro mit den zuschaltbaren Antriebsrädern Nummer fünf und sechs nur eine schräge Eigenkonstruktion von ein paar findigen Tüftlern sein. Und auch der Chelsea Truck ist im Grunde nichts anderes als ein spektakulärer Umbau des Land Rover Defender, der für 250 000 Euro zum Dreiachser wird.

Doch im Hyundai Kite steckt das Zeug für ein Spaßmobil von übermorgen. Denn das nach Angaben des Herstellers gemeinsam mit der Designhochschule Turin gestaltete Showcar taugt nicht nur für den Strand, kann mit einer Turbine auf dem Wasser fahren und lässt sich mit wenigen Handgriffen in ein Schneemobil umbauen. Sondern dank eines Elektroantriebs soll es obendrein fit für die Zukunft sein.

Eine dritte Alternative gegen das Verkehrschaos ist der Qooder. Der wurde in der Schweiz entwickelt und soll das Beste aus zwei Welten vereinen. So schmal und agil wie ein Motorrad und mit vier, durch eine spezielle Steuerung in der Seite neigbaren Rädern so sicher wie ein Auto, soll man mit dem offenen Zweisitzer lässig durch den Stau surfen, verspricht Firmenchef Paolo Gagliardo. Zunächst setzt er noch auf einen konventionellen Verbrenner, der aus 0,4 Litern Hubraum 24 kW/33 PS schöpft. Doch schon im nächsten Jahr soll es auch eine elektrische Variante mit bis zu 260 Kilometern Reichweite geben.

Wem das alles zu wild oder zu gewagt ist, den lockt die Autoindustrie einmal mehr mit Roboter-Fahrzeugen. Dazu gehören zum Beispiel Renault EZ-GO für den autonomen Nahverkehr, ID Vizzion als Ausblick auf ein selbstfahrendes VW-Flaggschiff oder Vision Concept der als elektrischer Rolls-Royce-Konkurrenz wiederbelebten britischen Luxusmarke Lagonda.

In Autos wie diesen muss man weder abheben, noch auf Ab- und Umwege gehen, um entspannt ans Ziel zu kommen, ist Andy Palmer, der Chef von Aston Martin und Lagonda überzeugt: «Denn wenn erst einmal der Autopilot das Kommando hat und man mit seiner Zeit auf der Straße in einer derart luxuriösen Umgebung wieder etwas Wert- oder Sinnvolles anfangen kann, dann verliert auch der längste Stau seinen Schrecken.»

Quelle: dpa