29.07.2016 In seiner Wahlheimat Texas arbeitet der deutsche Raumfahrer Hans Schlegel im US-Astronautenzentrum der NASA in Houston. In einem Alter, in dem viele sich auf die Rente freuen, erfüllt er wichtige Aufgaben für die Europäische Weltraumorganisation ESA. Stuttgart/Houston (dpa) – Auch acht Jahre nach seinem letzten Flug zur Internationalen Raumstation ISS ist der Deutsche Hans […]

29.07.2016

In seiner Wahlheimat Texas arbeitet der deutsche Raumfahrer Hans Schlegel im US-Astronautenzentrum der NASA in Houston. In einem Alter, in dem viele sich auf die Rente freuen, erfüllt er wichtige Aufgaben für die Europäische Weltraumorganisation ESA.

Stuttgart/Houston (dpa) – Auch acht Jahre nach seinem letzten Flug zur Internationalen Raumstation ISS ist der Deutsche Hans Schlegel aktiv im Dienst der Raumfahrt. Im Johnson Space Center in Houston, Texas, betreut er die Astronauten der Europäischen Weltraumorganisation Esa im Training. «Die Amerikaner sind auf dem Weg, auch die bemannte Raumfahrt zu kommerzialisieren», sagt Schlegel im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Der in Überlingen am Bodensee geborene Deutsche wird am 3. August 65 Jahre alt.

Frage: Sie waren mit zwei US-Raumschiffen im All. Wie ist die Stimmung in den USA, da die Amerikaner ja derzeit keine bemannten Raumflüge zur ISS anbieten können?

Antwort: Die Amerikaner sind auf dem Weg, auch die bemannte Raumfahrt zu kommerzialisieren. Im Moment haben wir so viele Transportmöglichkeiten zur ISS in Aussicht, dass wir sie gar nicht alle in ihrer vollen Leistungsfähigkeit nutzen können. SpaceX und Boeing zum Beispiel sind dabei, bemannte Kapseln zu entwickeln. Der erste bemannte Flug zur ISS ist dann damit in zwei bis drei Jahren geplant. Und auch die Nasa arbeitet an einer Kapsel, die viel leistungsfähiger ist als das, was sie jemals hatten. Auch sind die Amerikaner natürlich stolz, künftig wieder von ihrem Boden aus bemannt starten zu können. Bis dahin sind sie auf Russland angewiesen.

Frage: War es ein Fehler der Amerikaner, das eigene Transportsystem einzumotten und nur auf die Russen zu setzen?

Antwort: Meine persönliche Einsicht ist, dass es eine kurzsichtige Entscheidung war, das Shuttle ganz einzustellen, bevor man anfing, ein eigenes System – egal ob kommerziell oder Nasa – einsatzbereit zu haben. Man hatte sich damit auf ein einziges bemanntes Transportsystem – in dem Fall die russischen Sojus-Kapseln – verlassen. Es ist immer ein technisches Risiko, von einem einzigen System abhängig zu sein. Insbesondere bei einer solch großen und komplex zu betreibenden Infrastruktur war es eine schlechte Entscheidung. Es gilt, da schnell herauszukommen.

Frage: Was wären die Vorteile einer nicht staatlichen Raumfahrt?

Antwort: Die kommerzielle Raumfahrt ist eine Riesenchance für die USA. Ich bin überzeugt – und die bisherigen Erfahrungen geben uns Recht -, dass private Firmen zu einem deutlich niedrigeren Preis zur ISS fliegen können. Natürlich hängen die Firmen für die Entwicklung auch von staatlichen Zuschüssen ab. Die amerikanischen Firmen werden aber mit dem russischen staatlichen Preis für solche Transporte, bemannt und unbemannt zur ISS, mithalten können. Die Hoffnung ist ja, dass die Raumfahrt eine ähnliche Erfolgsstory wird wie die Luftfahrt.

Frage: Zählen Sie auch den Weltraumtourismus dazu – ist das aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Entwicklung, reiche Touristen auf der ISS oder auch die Kurzflüge in den Orbit?

Antwort: Bei den Kurzflügen in den Orbit hat es schmerzhafte Rückschläge gegeben. Operationell erfolgreich ist es ja noch nicht. Auch halte ich dies persönlich für eine Fehlentwicklung. Wir können dies in Zukunft vielleicht für ein paar Hundert, Tausend oder Zehntausend Menschen machen. Aber die Energie und andere Ressourcen, die wir einsetzen müssen, um über den Tellerrand – also die Erde – hinaus zu schauen, ist groß. Das können wir aus meiner Sicht nur im kleinen Maßstab realisieren.

Wir Menschen sollten vielmehr alles dafür tun, die Erde, unser einziges Mutterraumschiff so lange und so gut wie möglich zu erhalten. Selbstverständlich wünsche ich möglichst vielen Menschen, zu fühlen und mit den eigenen Augen zu sehen, wie einzigartig und verletzlich klein doch unser Planet Erde ist. Deshalb versuchen wir Astronauten und Kosmonauten dies in unseren öffentlichen Vorträgen so eindrucksvoll wie möglich rüberzubringen.

Frage: Wann wird es aus Ihrer Sicht die erste bemannte Expedition zum Mars geben?

Antwort: Heute unterschätzt noch jeder einen Marsflug, habe ich den Eindruck. Wir werden das nicht in den nächsten 15 oder 20 Jahren umsetzen. Technisch wäre es ja möglich, aber der Wille dazu muss da sein. Bisher sehen doch unsere Politiker nicht die Notwendigkeit dafür. Wenn wir unsere geopolitischen Zielsetzungen nicht ändern und den globalen wissenschaftlichen und technischen Fortschritt nicht erweitern, können wir Menschen den Mars nicht erreichen.

Am Anfang war das Engagement in der Raumfahrt eher militärisch und machtpolitisch motiviert. Aber heute können wir die ISS und ihren Betrieb als Rollenmodell für eine internationale, blockübergreifende Zusammenarbeit begreifen. Wenn wir so etwas wie eine Reise auf den Mars realisieren wollen, dann geht das nur global zusammen – also mit China, Russland, Europa, Amerika, Japan und weiteren Ländern.

ZUR PERSON: Hans Wilhelm Schlegel wurde am 3. August 1951 in Überlingen, Baden-Württemberg, geboren und lebt heute in den USA. Nach dem Abitur 1970 am Hansa-Gymnasium in Köln bildete ihn die Bundeswehr zum Fallschirmjäger aus. Schlegel studierte danach Physik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Nach einer Zwischenstation als Verfahrenstechniker in Reutlingen (Baden-Württemberg) nahm ihn 1987 das deutsche Raumfahrerkorps auf. Schlegel ist in zweiter Ehe verheiratet und Vater von sieben Kindern.

Ulf Mauder, dpa