Ein Jahrhundertwerk: Zwei gigantische Röhren durch die Alpen sichern dem Bahnverkehr zwischen dem Norden und Süden Europas eine Zukunft. Entsprechend groß wird die Einweihung gefeiert. Erstfeld (dpa) – In den Schweizer Alpen wird am Mittwoch der längste Eisenbahntunnel der Welt mit einem Staatsakt eröffnet. Zur Einweihung des 57 Kilometer langen Gotthard-Basistunnels werden neben der gesamten […]

Ein Jahrhundertwerk: Zwei gigantische Röhren durch die Alpen sichern dem Bahnverkehr zwischen dem Norden und Süden Europas eine Zukunft. Entsprechend groß wird die Einweihung gefeiert.

Erstfeld (dpa) – In den Schweizer Alpen wird am Mittwoch der längste Eisenbahntunnel der Welt mit einem Staatsakt eröffnet. Zur Einweihung des 57 Kilometer langen Gotthard-Basistunnels werden neben der gesamten Schweizer Regierung zahlreiche Ehrengäste erwartet – unter ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi und Frankreichs Präsident François Hollande.

Noch vor den geladenen Prominenten dürfen allerdings 1000 per Los ermittelte Einwohner der Schweiz mit Sonderzügen durch den neuen Tunnel zwischen Erstfeld im Kanton Uri und Bodio im Kanton Tessin fahren. Die Geste gilt als Ausdruck des Dankes an die Bevölkerung, die das Jahrhundertbauwerk durch ihre Zustimmung bei einem Volksentscheid sowie mit der Finanzierung als Steuerzahler ermöglicht hat.

Angesichts der Anschläge in Paris und Brüssel sowie wiederholter Drohungen durch die Terrororganisation IS mit neuen Angriffen in Europa wird die Einweihungsfeier von einem massiven Aufgebot an Sicherheitskräften beschützt. Rund 2000 Soldaten sind im Einsatz, der Luftraum über dem Gotthard wird großräumig überwacht, beim Zutritt zu den verschiedenen Festgeländen gibt es Kontrollen wie an Flughäfen.

Der in 17-jähriger Bauzeit für umgerechnet rund 11 Milliarden Euro (12,2 Mrd. Franken) – und damit weitgehend im Rahmen der finanziellen und zeitlichen Vorgaben – fertiggestellte Gotthard-Basistunnel ist das Herzstück der «Neuen Eisenbahn-Alpentransversale» (NEAT). Mit diesem europäischen Großprojekt sollen weite Teile des Güterverkehrs zwischen dem Nordseehafen Rotterdam und Genua am Mittelmeer von der Straße auf die Schiene verlegt werden.

Während die Schweiz mit ihren dazu gehörenden Verkehrsbauten weitgehend im Plan liegt, hinken Italien und vor allem Deutschland hinterher. So wird die 182 Kilometer langen NEAT-Teilstrecke zwischen Karlsruhe und Basel, über die fast der gesamte Eisenbahn-Güterverkehr aus dem Norden in die Schweiz rollt, wohl frühestens 2035 komplett viergleisig befahrbar sein.

Weltweit wird der neue Gotthard-Eisenbahntunnel derweil als technische und organisatorische Meisterleistung gewürdigt. Die Gleise verlaufen bei nur geringfügigen Steigungen sowie ohne enge Kurven auf einer Höhe von maximal 550 Metern über dem Meeresspiegel. Experten sprechen daher von einer «Flachbahn». Darüber türmt sich bis zum Gipfel des Gotthards eine Felsabdeckung von 2300 Metern auf.

Dank der nur geringen Höhe und des ebenen Streckenverlaufs brauchen Züge weniger Lokomotiven und können so preisgünstiger, vor allem weit schneller als im alten Gotthard-Tunnel fahren – Personenzüge mit bis zu 250 Stundenkilometern, Güterzüge mit bis zu 160 km/h. Der Zeitgewinn zwischen Zürich und Mailand beträgt – nach Fertigestellung des kleineren, ergänzenden Ceneri-Tunnels ab 2020 – rund 45 Minuten.

Statt bislang maximal 180 Güterzüge sollen künftig pro Tag 260 durch die neuen Röhren rollen. Der fahrplanmäßige Betrieb durch den Gotthard-Basistunnel soll nach etlichen weiteren Testfahrten am 11. Dezember aufgenommen werden.

An der Verwirklichung des Milliardenprojekts waren mehrere ausländische Unternehmen maßgeblich beteiligt. Jeder vierte der etwa 2400 Mitarbeiter – unter ihnen Bergleute, Elektriker und Ingenieure – kam aus Deutschland. Die vier gigantischen Bohrmaschinen mit Durchmessern von beinahe zehn Metern, mit denen die zwei Hauptröhren aus den Fels «geschnitten» wurden, lieferte das Unternehmen Herrenknecht aus dem baden-württembergischen Schwanau, das Weltmarktführer bei Tunnelbohrern ist.

Bei mehr als der Hälfte der Tunnelstrecken von rund 150 Kilometern – einschließlich der Seitenschächte und Sicherheitsstollen – führte der Essener Baukonzerns HochTief den Beton-Rohbau aus. Der österreichische Industriegüterkonzern Voestalpine – Weltmarktführer bei Spezialschienen – lieferte unter anderem alle 43 Hochleistungsweichen. Der Münchner Allianz-Konzern gehörte zu den wichtigsten Versicherern des gigantischen Bauprojekts.